Dürfen die Äste
meines Baumes in die Straße ragen?
Frage:
Ich habe ein Einfamilienhaus mit Garten vermietet. Die Äste der dort
stehenden Bäume ragen teilweise über die Grundstücksgrenze
hinaus auf die öffentliche Straße. Meine Mieterin fegt die
Straße und den zugehörigen Gehweg regelmäßig. Trotzdem
gibt es immer wieder Auseinandersetzungen mit einer Nachbarin, die sich
wegen des Baumabwurfs gestört fühlt. Sie fegt immer wieder auf
der Straße liegende Nadeln in ihrem Bereich auf die Straßenhälfte
meiner Mieterin. Nach meiner Kenntnis obliegt die Entfernung von Laub
und Kiefernadeln auch den Nachbarn in ihrem Bereich. Dürfen die Äste
meiner Bäume auf die Straße ragen? Autoverkehr ist dadurch
nicht beeinträchtigt. Dafür sind die Äste zu hoch.
Antwort:
Im Ergebnis kann die Nachbarin selbst weder gegen die Mieterin noch den
Vermieter und Fragesteller etwas ausrichten. Sie kann sich allerdings
an die Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Trägerin der Straßenbaulast
wenden und sie zum Einschreiten veranlassen.
Im Einzelnen dazu:
Da es sich um eine öffentliche Straße, nicht um einen Privatweg
handelt, ist die Stadt Eigentümerin des Straßengrundstücks,
und nicht die Nachbarin. Deshalb hat die Nachbarin auch keine Rechte aus
dem Eigentum. Abgesehen davon, dass die Nachbarin keinerlei Rechte hat,
verhält sie sich auch unklug: ein einziger Windstoß, und alles
ist wieder so wie vorher …
Allerdings könnte die Stadt unter Berufung auf das landeseigene Straßen-
und Wegegesetz (z. B. §§ 18-23 LStraßenG NRW) den Überhang
eines „privaten“ Baumastes als Sondernutzung der Straße
betrachten, die genehmigungspflichtig ist. Sie könnte deshalb anordnen,
dass zurück zu schneiden ist, nicht aber die Nachbarin. Die Straßengesetze
sehen dazu regelmäßig vor, dass die Sondernutzung auch geduldet
werden kann, wenn das „Lichtraumprofil“ gewahrt und der Verkehr
nicht beeinträchtigt ist (dazu VG Aachen, Urteil vom 17.2.2021 -
10 K 5218/17; VG Augsburg, Beschlüsse vom 1.6.2022 - 6 S 22.459 und
vom 21.4.2021 - 8 S 21.382, jeweils juris).
Das „Lichtraumprofil“ gibt für private
Grundstückseigentümer, deren Grundstück an eine öffentliche
Straße oder an einen Gehweg/Radweg direkt angrenzt, folgendes vor:
- Äste von Bäumen und Sträuchern dürfen erst ab
einer Höhe von über 2,30 m über die Gehwege ragen (bei
Radwegen über 2,50 m).
- Grenzt das Grundstück direkt an eine öffentliche Straße,
dürfen die Pflanzen bis zu einer Höhe von 4 m nicht in den
Straßenraum hineinragen.
- Über der gesamten Fahrbahn muss ein Lichtraum von 4,5 m frei
bleiben.
Häufig finden sich kommunale Verordnungen oder Satzungen, die dazu
Details regeln. Ein Blick in die Sammlung des Ortsrechts der Gemeinde
sollte also niemals fehlen.
Besonderheiten gelten für Kreuzungen und Straßeneinmündungen.
Hier muss der ruhende und fließende Verkehr immer die Übersicht
behalten. Die Verkehrssicherheit muss gewährleistet sein. Sogenannte
„Sichtdreiecke“, die die Übersicht über die Verkehrssituation
gewährleisten, sind freizuhalten. Soweit es zur Gewährleistung
eines derartigen Sichtfeldes geboten erscheint, ist freizuschneiden. Freizuhalten,
bzw. freizuschneiden sind auch Straßenlampen oder Verkehrsschilder
an der Grundstücksgrenze. Dass sie zuwachsen, ist zu vermeiden.
Im Falle einer erkannten Verkehrsgefährdung kann die Gemeinde mit
Fristsetzung per Ordnungsverfügung dazu verpflichten, die erforderlichen
Schnitte vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Sie kann Ersatzvornahme
auf Ihre Kosten androhen und umsetzen (vgl. zu der Frage, inwieweit der
Verwalter für eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Falle einer
behördlichen Ordnungsverfügung wegen Baumüberwuchses tätig
werden muss: LG Düsseldorf, Urteil vom 23. 9. 2020 - 23 S 139/19,
juris).
Nähere Informationen zum Rückschnitt von grenznahen Bepflanzungen
des Nachbarn enthalten die Broschüren „Nachbars Grenzbewuchs",
2. Aufl. 2021, ISBN 978-3-96434-017-7, Preis 12,95 € inklusive Mehrwertsteuer
zuzüglich Versandkosten
bei Einzelbestellung, 136 Seiten, DIN A5, gebunden, und „Nachbars
Garten“, 6. Aufl. 2021, ISBN 978-3-96434-018-4, Preis 16,95
€ einschließlich Mehrwertsteuer zuzüglich Versandkosten
bei Einzelbestellung, 190 Seiten, DIN A5 gebunden, jeweils erschienen
bei Haus & Grund Deutschland Verlag und Service GmbH, Mohrenstraße
33,10117 Berlin, zu beziehen über Haus
und Grund Niedersachsen, E-Mail: info@haus-und-grund-nds.de;
Fax: 0511/97329732.
© Dr. Hans Reinold Horst
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