Erbschein: Auch ohne
Testament?
(ho)
Einen Erbschein benötigt man dann, wenn man sein Erbrecht, besser
gesagt seiner Eigenschaft als Erbe nachweisen muss. Dazu ein Beispiel:
Sollen Bankkonten des Erblassers geschlossen oder auf den Erben umgeschrieben
werden, so verlangen Banken und Sparkassen in der Regel dafür einen
Erbschein. Ein anderes Beispiel: Ist der Verstorbene als Immobilieneigentümer
im Grundbuch eingetragen, wird das Grundbuch unrichtig, wenn der Erbfall
eintritt. Denn der Erbe wird automatisch kraft Gesetzes Immobilieneigentümer
(§ 1922 BGB - Universalsukzession), ohne dass das Grundbuch umgeschrieben
werden muss. Weil das so ist, muss das im Todesfall unrichtig gewordene
Grundbuch, dass ja noch auf den Erblasser lautet, berichtigt werden. Eingetragen
werden muss dann der Erbe. Dafür ist ein Erbschein notwendig, wenn
kein notarielles Testament oder ein notarieller Erbvertrag bereits als
Nachweis des Erbrechts, sprich der Erbenstellung, als Umschreibungsgrundlage
herhalten kann.
Der Erbschein wird beim Nachlassgericht oder bei einem Notar beantragt.
Dazu sind die Tatsachen anzugeben, die das eigene Erbrecht begründen.
Ihr Nachweis erfolgt durch öffentliche Urkunde und durch eidesstattliche
Versicherung.
Wichtig:
Ein Erbschein begründet oder verändert keine Erbfolge, er weist
sie nur aus, dokumentiert also die Stellung des Erben. Erweist sich im
Nachhinein, dass ein Anderer Erbe geworden ist, so wird der Erbschein
vom Nachlassgericht von Amts wegen eingezogen. Beispiele: Es wird später
ein anderes Testament gefunden, mit dem ein anderer Erbe eingesetzt wird,
oder: ein „verlorenes“ Kind des Verstorbenen tritt plötzlich
als gesetzlicher Erbe auf.
Das AG Hameln (Beschluss vom 24.2.2022 - 18 VI 135/21, juris) hatte
sich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem die Existenz eines handgeschriebenen
Testaments versichert wurde, dass Testament selbst als Urkunde aber nicht
vorgelegt werden konnte.
Zunächst:
Hier bieten sich zwei Deutungen an:
- Entweder das Testament existiert - wo auch immer -
- oder es ist durch ein neues Testament, oder schließlich durch
seine Vernichtung widerrufen worden.
Dazu das AG Hameln:
Der Erbschein kann auch ausgestellt werden, wenn das Testament als „körperliche
Urkunde“ nicht vorliegt, das Nachlassgericht aber sicher davon überzeugt
ist, dass der Verstorbene ein formgültiges Testament errichtet hat.
Die Möglichkeit eines Widerrufs dieses Testaments (rechtsvernichtende
Tatsache zum Erbrecht) muss von demjenigen bewiesen werden, der sich auf
die Unwirksamkeit des Testaments beruft und dem Antrag auf Erteilung des
Erbscheins entgegentritt.
Deshalb hat das Gericht weiter verfügt, dass mit der Ausfertigung
des Erbscheins bis zur Rechtskraft der Entscheidung abzuwarten ist, damit
dieser Gegenbeweis im Rahmen des Verfahrens möglich bleibt.
Lesetipp: Broschüre Übertragung und Vererbung von Grundbesitz“,
4. Auflage 2022, ISBN 978-3-96434- 032-0, 589 Seiten, 29,95 € zuzüglich
Versandkosten
bei Einzelbestellung, zu beziehen über Haus
und Grund Niedersachsen, E-Mail: info@haus-und-grund-nds.de;
Fax: 0511/97329732.
© Dr. Hans Reinold Horst
News/Presse
>>