Wohnungseigentum: Gestattungsbeschluss
für digitalen Türspion?
(ho)
§ 20 Abs. 1 WEG rechtfertigt Maßnahmen als bauliche Veränderungen
im Haus, wenn sie beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch
Beschluss gestattet werden.
Ein solcher Gestattungsbeschlusses liegt in dem folgenden Fall aber nicht
vor:
Wohnungseigentümer Q baut in seiner Wohnungseingangstüre einen
digitalen Türspion ein. Eine dauerhafte Speicherfunktion oder die
Möglichkeit einer Weitergabe des aufgezeichneten Videosignals an
andere Geräte existiert nicht. Wohnungseigentümer W, der den
Flurbereich vor der Eingangstüre passiert, fühlt sich überwacht
und in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Er klagt
direkt gegen Q auf Unterlassung
Seine Klage ist aus §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz
2 BGB, §§ 9a Abs. 2, 13, 14 Abs. 2 Nr. 1, 18 WEG erfolgreich
(LG Karlsruhe, Urteil vom 17.5.2024 - 11 S 162/23, IMR 2024, 506). Die
montierte Videokamera mit dem Aufzeichnungsbereich von Gemeinschaftsflächen
(Flur und Treppenhaus) verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.
Dies sei sogar dann der Fall, wenn es sich um eine Kameraattrappe handele,
die nur den Eindruck einer Aufzeichnungsfunktion erwecke (ebenso: BGH,
Urteil vom 8. April 2011 – V ZR 210/10, NZM 2011, 512). Die unzulässige
Videoüberwachung des Außenbereichs vor dem Wohnungseingang
führe zu einer ständigen Kontrolle aller Personen in ihrer privaten
Lebensführung, die sich auf den erfassten Flächen bewegten.
Nachzutragen ist:
Für einen existierenden Gestattungsbeschluss, die Gemeinschaftsflächen
vor der Wohnungseingangstür durch einem eingebauten digitalen Tüspion
zu überwachen, wird vertreten, dass dieser Beschluss auch zu einer
entsprechenden Duldungspflicht der Wohnungseigentümer untereinander
führt (so: Dötsch, in Bärmann, Kommentar zum WEG, 15. Aufl.
2023, § 20 WEG Rn. 160). Denn dann würden im Rahmen der Beschlussfassung,
spätestens innerhalb einer gerichtlichen Kontrolle dieses Beschlusses,
die Rechte und Interessen einzelner Wohnungseigentümer gegeneinander
abgewogen (zur Zulässigkeit von Videoüberwachungen: LG Frankfurt/Main,
IMR 2023, 282; AG Bergisch Gladbach, IMR 2016, 208 - jeweils verneinend;
Gegenansicht: BGH, IMR 2013, 334 - Überwachung des Eingangsbereichs
durch Videokamera zulässig).
Auch die bejahenden Auffassungen müssen sich die Frage stellen, ob
eine Beschlusskompetenz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer so
weit gehen kann, in höchstpersönliche private Rechte einzelner
Sondereigentümer einzugreifen. Nach hier vertretener Auffassung spricht
viel dafür, eine Beschlusskompetenz für höchstpersönlich
private Bereiche (Persönlichkeitsrecht) abzulehnen. Folgt man dem,
käme es auf einen Gestattungsbeschluss zumindest zugunsten einzelner
Eigentümer nicht an.
© Dr. Hans Reinold Horst
News/Presse
>>